Rivaroxaban
Rivaroxaban ist das am weitesten verbreitete Medikament unter den direkten Faktor-Xa-Inhibitoren, den Xabanen. In der früheren MAGEL-LAN-Studie (Cohen, 2009) war Rivaroxaban den niedermolekularen Heparinen (hier Enoxaparin) bei der Prophylaxe tiefer Beinvenenthrombosen stationärer internistischer Patienten nicht unterlegen. Eine asymptomatische proximale Venenthrombose oder eine symptomatische venöse Thrombembolie trat nach 10 Tagen sowohl bei 2,7 % der mit Rivaroxaban als auch bei 2,7 % der mit Enoxaparin behandelten Patienten auf. Unter Rivaroxaban waren allerdings schwere oder klinisch relevante, nicht schwere Blutungen mit 2,8 % mehr als doppelt so häufig wie unter Enoxaparin mit nur 1,2 %; (p < 0,001).
ROCKET-AF-Studie
Stadium | GFR (ml/min) | Nierenfunktion |
---|---|---|
1 | >89 | normale Nierenfunktion |
2 | 60–89 | milde Funktionseinschränkung (in der Rocket-Studie >50 ml/min) |
3 | 30–59 | moderate Funktionseinschränkung (in der Rocket-Studie <49 ml/min) |
4 | 15–29 | schwere Funktionseinschränkung |
5 | <15 | Chronisches Nierenversagen |
Tab. 1: In der ROCKET-AF-Studie wurden höhergradige Funktionseinschränkungen toleriert (Patel, 2011) |
Anders als bei den Blutungskomplikationen zeigte sich in der Akuttherapie und der Sekundärprophylaxe bei Patienten mit akuter tiefer Venenthrombose im Rahmen der EIN-STEIN-DVT-Studie immerhin eine Nicht-Unterlegenheit für Rivaroxaban gegenüber Vitamin-K-Antagonisten (Bauersachs, 2010). Im Vergleich mit Enoxaparin und überlappend mit Vitamin-K-Antagonisten wurde den Studienteilnehmern 3 Wochen lang 2 x täglich Rivaroxaban in einer Dosis von 15 mg (30 mg Tagesdosis) appliziert, anschließend wurden die Patienten mit einer 1 x täglichen Gabe von 20 mg über einen Zeitraum von 3, 6 und 12 Monate weiterbehandelt. Eine weitere placebokontrollierte 6- bis 12-monatige Therapie mit Rivaroxa- ban (1 x 20 mg täglich) schloß sich daran als EINSTEIN-Extension-Studie an. Hierbei zeigte sich eine überlegene Wirksamkeit des Faktor-Xa- Inhibitors bei der Verhinderung von thrombotischen Rezidiven. Aber auch in diesen Studien fiel erneut das erhöhte Blutungsrisiko unter der Rivaroxabantherapie auf (Bauersachs, 2012).
Dosierung der direkten oralen Antikoagulantien beim Vorliegen einer Nierenfunktionseinschränkung

Abb. 3: Die Dosierung der direkten oralen Antikoagulantien beim Vorliegen einer Nierenfunktionseinschränkung, hier angegeben als GFR (Glomeruläre Filtrationsrate) gemäß Fachinformationen der Hersteller 2016/2017
Auch in der Akuttherapie und Se- kundärprophylaxe bei Patienten mit einer akuten Lungenembolie konnte im Rahmen der EINSTEIN-PE-Studie eine Nicht-Unterlegenheit des Rivaroxabans im Vergleich mit Vitamin-K-Antagonisten dokumentiert werden (Buller, 2012). In den EINSTEIN-Studien wurde keine Dosisanpassung an eine reduzierte Nierenfunktion durchgeführt, allerdings waren Patienten mit einer GFR < 30 ml/min von der Studienteilnahme ausgeschlossen. Nachdem eine Metaanalyse insgesamt das vorteilhafte Wirkprofil von Rivaroxaban in der Behandlung der tiefen Beinvenenthrombose bestätigt hatte, konnte nun ein Einsatz der für diese Indikation zugelassenen Substanz als Firstline-Therapie erfolgen (Fox, 2012).
Im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten konnte Rivaroxaban auch thromboembolische Zweitereignisse gleich wirksam verhindern und die Gesamtsterblichkeit ähnlich gut absenken. In dieser Studie war Rivaroxaban im Gegensatz zu den anderen zitierten Studien auch mit einem geringeren Blutungsrisiko assoziiert. Hierzu ist es allerdings wichtig, dass, wie bereits erwähnt, bei der Umstellung von Vitamin-K-Antagonisten ein genügend starker Abfall der INR-Werte abgewartet wird. Die wesentliche zulassungsrelevante Studie für Rivaroxaban bei Vorhofflimmern war die ROCKET- AF-Studie (Patel, 2011). Bei einer glomerulären Filtrationsrate (GFR) oberhalb von 50 ml/min (üblicher- weise 60 ml/min) wurde eine Einmaldosis von 20 mg pro Tag verwendet, bei einer moderat eingeschränkten Nierenfunktion mit einer GFR von 30−49 (üblicherweise bis 59 ml/min) wurden 1 x 15 mg täglich gegeben.
Zugabe von Rivaroxaban zu Aspirin und Clopidogrel

Abb. 4: Die ATLAS-ACS-TIMI 51-Studie führte nach Zugabe von Rivaroxaban zu Aspirin und Clopidogrel zu einer deutlichen Reduk- tion von Myokardinfarkten, Schlaganfällen und kardiovaskulärer Mortalität im Vergleich zur Addition von Placebo zur dualen Plättchenhemmung (Mega, 2012)
In der Embolieprophylaxe bei Vorhofflimmern war Rivaroxaban der vergleichenden VKA-Therapie bezüglich der Wirksamkeit nicht unterlegen, das Blutungsrisiko war den Vitamin-K-Antagonisten vergleichbar. Bei Verlaufsbeobachtungen unter Alltagsbedingungen erschien Rivaroxaban jedoch wirksamer als eine Behandlung mit Vita- min-K-Antagonisten, intrakranielle und tödliche Blutungen traten unter Rivaroxaban seltener auf. Bei Umstellung von Vitamin-K-Antagonisten (Marcumar) auf Rivaroxaban sollte ein INR-Abfall unter 2,0 abgewartet werden (Bauersachs, 2012). Zur Wirkungskontrolle kann bei allen Xabanen, so auch bei Rivaroxaban, die Bestimmung der Anti-Xa-Aktivität angewendet werden, wobei mehrere Assays in Gebrauch sind. Zur Therapie von Blutungskomplikationen sollte bis zur Einführung des Antidots der Einsatz von Frischplasma, PPSB und gegebenenfalls rekombinantem Faktor Vlla (Proconvertin, Prothrombinogen) erwogen werden.
Registrierte Blutungen in der ARISTOTLE-Studie
Apixaban N = 9.088 n (%/Jahr) | Warfarin N = 9.052 n (%/Jahr) | Hazard Ratio (95% KI) | p-Wert | |
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Blutungen | ||||
schwer* | 327 (2,13) | 462 (3,09) | 0,69 (0,60; 0,80) | <0,0001 |
tödlich | 10 (0,06) | 37 (0,24) | ||
intrakraniell | 52 (0,33) | 122 (0,80) | ||
schwer + CRNM† | 613 (4,07) | 877 (6,01) | 0,68 (0,61; 0,75) | <0,0001 |
Alle | 2.356 (18,1) | 3.060 (25,8) | 0,71 (0,68; 0,75) | <0,0001 |
Weitere Endpunkte | ||||
Tod jeglicher Ursache | 603 (3,52) | 669 (3,94) | 0,89 (0,80; 1,00) | 0,0465 |
Myokard-Infarkt | 90 (0,53) | 102 (0,61) | 0,88 (0,66; 1,17) | |
*schwere Blutungen, de niert nach International Society on Thrombosis and Haemostasis (ISTH) Kriterien. †klinisch relevante, nicht schwere Blutung (CRNM/Clinically Relevant Non-Major) |
Nach einem akuten Koronarsyndrom wurde zur Rezidivprophylaxe die niedrige Rivaroxabandosis (2 x 2,5 mg) zusätzlich zu ASS und Clopidogrel in der ATLAS-ACS-2-TIMI-51-Studie eingesetzt und reduzierte Myokardinfarkt, Schlaganfall und kardiovaskuläre Mortalität deutlich. Allerdings führte diese Dreifachkombination zu einer signifikant höheren Rate von schweren und auch intrakraniellen Blutungen, allerdings nicht von tödlichen Blutungen (Mega, 2012).
Die europäischen Leitlinien zur Behandlung eines ST-Hebungs-Myokardinfarkts (STEMI) wurden seit 2010 nicht mehr überarbeitet (Silber, 2010). Es wurde bereits in dieser lange zurückliegenden Version eine orale Antikoagulation zusätzlich zu ASS und Clopidogrel nach kürzlich erfolgter Stentimplantation und Indikation für orale Antikoagulation für möglich erachtet (Empfehlungsklasse II b, Evidenzgrad C). Allerdings sprechen die Daten der ATLAS-2-Stu- die wegen der signifikanten Senkung der Gesamtsterblichkeit von 2,9 % unter Rivaroxaban im Gegensatz zu 4,5 % unter Placebo (p = 0,02) dafür, dass eine deutlichere Leitlinienempfehlung ausgesprochen wird.
Autoren & Experten: Wissenschaftlicher Beirat: Prof. Dr. med. Hermann Eichstädt, Berlin. Facharzt Innere Medizin & Kardiologie, Lebenszeitprofessor i.R. der Charité Berlin. Geschäftsführender Vorstand der Berlin- brandenburgischen Gesellschaft für Herz- und Kreislauferkrankungen e.V. Journalist: Horst K. Berghäuser Heilpraktiker: Felix Teske Literatur, Quellen und Verweise: Rationelle Diagnostik und Therapie in der Inneren Medizin Thieme Verlag Praktische Labordiagnostik - Lehrbuch zur Laboratoriumsmedizin, klinischen Chemie und Hämatologie Grönemeyers Buch der Gesundheit Hallesche Krankenversicherung